Page 17 - Gehaltvoll 6.2
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                                          lorgus

                                                                             Vom Mut,





                                                                             einzigartig




                                                                             zu sein!







                                                                             Andrej Lorgus, Moskau









       ralische Beurteilungen sind hier     Der persönliche  Weg des Men-        Jede  dieser  vier  Stufen erfordert
       nutzlos. Die  Welt ist komplexer     schen, eine eigenständige, einzig-   den Einsatz aller geistigen Fähigkei-
       und gleichzeitig einfacher als ein   artige Persönlichkeit zu werden,     ten, erfordert Hingabe und Risiko.
       Mensch. Trotzdem sind die Men-       erfordert den Mut zu sein. Der       Misserfolge, Fehler und Tragödien,
       schen sehr abhängig von der Welt.    Mut zu sein ist ein Risiko und       die aus persönlicher Verantwortung
       Die menschliche Entwicklung          auch der Mut, die Verantwortung      entstehen, erfordern viel Kraft und
       findet in dieser  Welt statt. Der    für den richtigen Weg zu überneh-    geistige Belastbarkeit.
       Mensch lebt, nach Heidegger, als     men.                                 Der Mut zu sein ist ein Schritt in
       jemand, der in der Welt ist. Er ist   Der Mut zum Sein kennt vier         Richtung des Unbekannten, des
       dauerhaft offen für die Welt und     Übergänge mit entsprechendem         Großen und Schrecklichen, es ist
       ohne sie undenkbar. Doch im Pro-     existentiellem Gewinn:               eine Wahl von Kraft und Erkennt-
       zess der persönlichen Entwicklung    • Mut, darauf zu verzichten, in die   nis, die beide noch nicht gegeben,
       gehen Menschen auf unterschied-      Sorgenfreiheit und Heiterkeit der    die unentdeckt sind; es ist Wagemut
       liche Weise und mit unterschied-     Kindheit zurückzukehren.             und Kühnheit. Zu sein bedeutet
       lichen Einstellungen durch diese                                          gleichzeitig zu lieben und zu leiden
       Welt. Eine Person kann der Welt      • Mut, die Welt so zu akzeptieren,   und erfordert Mut.
       feindlich gesinnt sein und umge-     wie sie ist, Bereitschaft zu leiden;
       kehrt - freundlich. Aber es ist nicht   alle Selbstunsicherheiten und die
       die Welt, sondern der Mensch, der    Ungewissheit der  Welt zwischen
       sich verändert, beziehungsweise      Himmel und Erde zu akzeptieren.
       eher seine subjektive Einstellung
       zur Welt. Und die Entwicklung zur
       Reife hängt von seiner Beziehung     •  Mut  zur  Selbstakzeptanz  vor
       zur Welt ab. Ein reifer Mensch er-   Gott und der Welt; selbstverant-
       kennt die Welt sowohl als offenen,   wortlich sein und seinen Platz in
       freundlichen  als  auch  als  feindse-  dieser  Welt einnehmen, indem
       ligen Raum, als Raum für Ent-        man seine persönliche Position
       deckungen ebenso wie als Raum        bezieht; die vertikale Struktur des
       voll Betrug und Gift (Dornen und     Kosmos akzeptieren und sich dem
       Disteln wird sie dir bringen; Gene-  Höchsten öffnen.
       sis 3:18). Reife bedeutet, die Welt
       mit  Mut,  Ausdauer und  Geduld      • Mut, diese Welt zu lieben und
       anzunehmen - die Welt, die dem       von ihr auseinander gerissen zu
       Menschen gegeben ist, um sich ihr    werden.
       zu stellen und darin zu leben.



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