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Ermutigen
oder die
Großmutter-
weisheit?
Bei einem bestimmten Se- tiger größtenteils aus Leuten mit
minar stellte ich immer wieder einem sozialen Beruf, wie zum Bei-
die Aufgabe, dass jeder Teilneh- spiel Erzieher. Die andere Gruppe,
mer eine ihm zugeteilte Person bis die nicht ermutigt hatte, setzte sich
zum späten Nachmittag dreimal mehr aus Personen mit techni-
ermutigen sollte. Natürlich wuss- schen oder verwalterischen Tätig-
te niemand, wer ihm als Ermuti- keiten zusammen, wo Loben oder
ger zugeteilt war. Ermutigen keine direkte berufliche
Am Spätnachmittag tauschten Aufgabe ist, also im beruflichen
wir uns über die Erfahrungen mit Alltag nicht erwartet wird und ge-
dieser Übung aus. übt werden kann.
Und immer gab es zwei Gruppen Mit anderen Worten, das Ermu-
unter den Teilnehmern, die ei- tigen saugen wir nicht mit der
nen, die diese Aufgabe angepackt Muttermilch ein, dagegen schon
und auch erledigt haben, die an- eher die alte Großmutterweisheit:
deren, die sie nicht angepackt ha- „Solange man nichts sagt, ist schon
ben, weil sie ihnen zu künstlich alles in Ordnung.“
erschienen war. „Wie kann man Zitierte ich dann diese „Weisheit“,
jemanden ermutigen, den man nickten die Köpfe „Ja, das kennen
kaum kennt?“, war ihr auf den wir!“
ersten Blick verantwortungsvoll Nichts sagen ist aber noch keine
klingendes Argument. Ermutigung!
Wenn man aber genauer hinsah, Ermutigen heißt, aktiv Mut in je-
bestand die Gruppe der Ermu- manden hineinzulegen!
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